In einem gemeinsamen Beitrag gehen Dr. Georg Förster, Projektkoordinator CariData beim Deutschen Cartiasverband e. V. und Sebastian Ottmann der Frage nach, warum in sozialen Organisationen eine stärkere Datenkultur benötigt wird.

Die Nutzung (digitaler) Daten wird zunehmend als zentrales Thema in allen Sektoren gesehen. Kaum ein Wirtschaftsunternehmen kommt mehr daran vorbei, sich mit modernsten Methoden auseinanderzusetzen, um Daten über Kunden und über eigene Prozesse zu sammeln, zu analysieren und daraus wichtige Erkenntnisse zu ziehen. Öffentliche Akteure (allen voran die Bundesregierung) entwickeln eine Datenstrategie, um sich den Herausforderungen zu stellen. Auch der soziale Sektor und die Wohlfahrtspflege können sich diesem Thema nicht entziehen. Dies wird zunehmend erkannt und es werden entsprechende Projekte und Initiativen gestartet, Strategien erarbeitet sowie technisches Know-how und Infrastruktur aufgebaut. Jedoch stößt man gerade im sozialen Bereich bei dieser Thematik immer wieder auf Skepsis und Vorbehalte, die jede Bemühung in diese Richtung zum Scheitern bringen können. Daher ist es sinnvoll, zukünftig eine stärkere Datenkultur in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft aufzubauen.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was unter einer (positiven) Datenkultur zu verstehen ist, wie eine solche tatsächlich etabliert werden kann und warum die Kultur von Organisationen, wie bei jedem Veränderungsprozess, eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Veränderungsvorhabens spielt. Dabei soll es v. a. darum gehen, die in sozialen Organisationen verbreiteten Vorbehalte gegenüber einer stärker datenbasierten Arbeitsweise zu verstehen und ernst zu nehmen sowie Wege zu diskutieren, wie ein gemeinsames, positives Verständnis einer datenbasierten Arbeitsweise entwickelt werden kann.

Was ist Organisationskultur?

Stellen wir uns eine Organisation wie einen Eisberg vor. Ein solcher Eisberg hat einen Anteil, der über der Wasseroberfläche liegt und einen noch viel größeren, der sich unterhalb der Wasseroberfläche befindet und nicht sichtbar ist. 

In einer Organisation gibt es ebenfalls Dinge, die wir direkt beobachten können: Wir wissen, wer in einer Organisation mitarbeitet, wir kennen eine Satzung, ein Organigramm und je nachdem wie viel Einblick wir haben sogar so etwas wie eine Prozesslandkarte, die idealtypisch beschreibt, welche Prozesse in der Organisation regelmäßig ablaufen (sollten).

Unter der Wasseroberfläche gibt es jedoch vieles, was wir nicht direkt beobachten können. Wie reagieren die Mitarbeitenden bzw. Mitglieder einer Organisation auf Veränderung? Gibt es eine Hörigkeit gegenüber Autoritäten oder wird implizit von Leitungskräften erwartet, sehr kollegial und auf Augenhöhe mit den übrigen Mitarbeitenden umzugehen? Und bildet das Organigramm die tatsächlichen Machtverhältnisse in der Organisation ab oder ist die Assistenz der Geschäftsführung, die im Organigramm noch nicht einmal vorkommt, die Instanz, an der man nicht vorbeikommt, wenn man eine Entscheidung herbeiführen will? (vgl. auch das 3-Ebenen-Modell von Edgar Schein)

Darstellung einer Pyramide mit sichtbaren Aspekte einer Organisation und der Organisationskultur die unter dem Wasser nicht sichtbar ist.

Was hat dies alles mit dem Thema Daten zu tun? Eine ganze Menge! Wenn eine Organisation sich auf die Fahnen schreibt, datenbasierter arbeiten zu wollen, stellen sich bereits die Fragen: Wer hat diese Entscheidung getroffen? Wer trägt sie mit? Welche Widerstände sind zu erwarten? Passt ein datenbasiertes Arbeiten überhaupt zur Kultur der Organisation?

Die Kultur einer Organisation kann einer effektiven Nutzung von Daten in vielfacher Hinsicht im Wege stehen oder sie begünstigen. Zwei Beispiele:

  • Ist im Wertesystem einer Organisation die Suche nach Wahrheit wichtiger als die positive Darstellung der Organisation nach innen und außen? Dann ist dies eine gute Voraussetzung für daten- und evidenzbasiertes Arbeiten in einer solchen Organisation. Sind die Menschen in einer Organisation vor allem darauf bedacht, sich und ihre Organisation immer in ein positives Licht zu stellen? Dann werden Daten vermutlich nur genutzt, wenn sie diesem Zweck dienen und somit werden sie nicht ihr vollständiges Potenzial entfalten.
  • Gehört es zur Kultur einer Organisation, nach innen und außen möglichst transparent zu sein? Dann ist es leichter, effektive Datenflüsse zu organisieren. Wird in einer Organisation der Zugang zu Informationen sehr eng an bestimmte Rollen geknüpft (z.B. viele Informationen sind nur dem Vorstand vorbehalten)? Dann wird auch datenbasiertes Arbeiten in der Breite der Organisation schwierig, weil viele Daten nicht dort landen, wo ggf. auch dezentrale Entscheidungen datenbasiert getroffen werden könnten.

Kultur steht immer in einem Spannungsverhältnis mit den offiziellen Regeln einer Organisation (Governance) bzw. den expliziten Strategien, die eine Organisation verfolgt. Geteilte Werte und Annahmen, kollektive Emotionen gegenüber den Vorgaben der Führung, können jeden Versuch, eine Organisation top-down in eine bestimmte Richtung zu steuern, zum Scheitern bringen.

Der Kulturaspekt muss auch bedacht und eingepreist werden, wenn Veränderungsprozesse in Bezug auf bessere Datennutzung in Organisationen initiiert und budgetiert werden. Nicht selten werden in größeren Organisationen große Summen in Aufträge an größere Softwarehäuser eingeplant, um Infrastruktur aufzubauen, die Daten besser strukturieren und verfügbar machen sollen. Zugleich wird jedoch nicht in die notwendige Kulturveränderung investiert, die es ermöglicht, dass die neue Technik zum Tragen kommt. Nicht selten finden die Menschen in einer Organisation ihren Weg, sich der technischen Veränderung zu entziehen. Der Podcaster Jonas Rashedi weist in seinem Podcast “My Data is better than yours” regelmäßig darauf hin, dass man das dreifache von dem, was man in Technik investiert, in die notwendige Kulturveränderung investieren sollte.

CariData – von Daten zu Taten

Im Rahmen des Projektes CariData arbeitet der Deutsche Caritasverband e.V. an Prozessen und Infrastruktur für eine bessere Nutzung von Daten, die in unterschiedlichen Beratungsfeldern gewonnen werden. Dabei wird sowohl die Übertragung und Aggregierung der Daten, wie auch deren Aufbereitung zur Nutzung in der fachlichen Arbeit und der politischen Interessensvertretung in den Blick genommen und optimiert. Das Projekt wird von der GlücksSpirale gefördert.

Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten zum Projekt-Team gibt es auf der Homepage zum Projekt.

Was prägt die Datenkultur in einem Wohlfahrtsverband bzw. in der Sozialwirtschaft?

Es gibt einige Besonderheiten, die Einfluss auf die Datenkultur einer Wohlfahrtsorganisation nehmen bzw. deren Entwicklung besonders schwierig machen. Die folgende Aufstellung beschreibt Faktoren, die als unterschiedliche Facetten eines grundlegenden Prinzips der Sozialwirtschaft zu verstehen sind.

Besondere Art der Finanzierung

In einem privatwirtschaftlichen Unternehmen gibt es direkte Zusammenhänge zwischen dem Absatz von Waren und Dienstleistungen, dem daraus resultierenden Umsatz, den Kosten für die Produktion bzw. der Erbringung der Leistungen und dem Gewinn, den es zu maximieren gilt. Sofern ein größeres Bewusstsein einer Organisation für Daten nachweislich zu einer Senkung von Kosten oder einer Steigerung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen führt, so entsteht schnell ein ökonomischer Druck – auch auf deren Wettbewerber, ein solches Bewusstsein in ihrer Organisation zu fördern. Im Sozialen Bereich sind die Zusammenhänge deutlich komplexer, da die Leistungsempfänger in der Regel nicht (allein) für eine einzelne Leistung bezahlen, sondern das Angebot sozialer Dienstleistungen von einem Kostenträger finanziert wird (Kommunen, Ämter, Kranken- und Pflegekassen etc.). Häufig sind die Kosten und die Einnahmen direkt aneinander gekoppelt. Der Hauptkostenfaktor ist zudem das Personal, was eine Kostenreduktion in diesem Bereich aus unterschiedlichen Gründen schwierig macht. Eine Steigerung des Absatzes von Dienstleistungen wiederum führt in vielen Finanzierungsmodellen nicht unbedingt zu einer entsprechenden Zunahme an Einnahmen, da diese häufig durch die Kosten definiert sind.

Ein Beispiel: Eine Einrichtung der offenen Jugendarbeit, die durch konsequente Analyse und Vorhersagen der Besucher*innen- und eine danach ausgerichtete Dienstplanung feststellt, dass bei gleichen Öffnungszeiten weniger Personal notwendig ist, bekommt bei Reduktion des Personals weniger Personalzuschüsse, da sie die Personalausgaben nicht mehr nachweisen und auch nicht in Sachkosten umwidmen kann. Insofern ergibt es für die Einrichtung aus einer ökonomischen Sichtweise keinen Sinn, eine solche datenbasierte Optimierung vorzunehmen.

Wirkung als Zielgröße der sozialen Arbeit

Die Nutzung von Daten in der freien Wirtschaft zielt in der Regel darauf ab, Daten zu nutzen, die mehr oder weniger direkt im Zusammenhang mit zentralen ökonomischen Erfolgskennzahlen stehen und zu deren Optimierung beitragen können. Ein Beispiel ist ein Versandhandel, der aus den Daten seiner Kund:innen Vorhersagen darüber macht, welche Werbung sie am ehesten zum Kauf einer Ware veranlasst. Der Erfolg dieses Vorgehens und dessen Beitrag zum Umsatz des Versandhandels ist direkt messbar. Die Sozialwirtschaft optimiert aber nicht den monetären Gewinn – dieser ist in der Regel nicht einmal vorgesehen bzw. muss in der Regel zeitnah wieder in Investitionen fließen. Schon länger wird deshalb in der Sozialen Arbeit das Prinzip der Wirkung als die zentrale Zielgröße diskutiert. Letztlich stehen Kosten und Einnahmen häufig fest. Das Ziel der Leistungserbringer und das Interesse der Kostenträger ist jedoch, dass die erbrachten sozialen Dienstleistungen möglichst viel Wirkung bei der Zielgruppe entfalten. Wirkungszusammenhänge sind mit einer hohen Komplexität und einer zeitlichen Latenz verbunden. Das macht es schwierig, in diesem Zusammenhang einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge datenbasiert zu erfassen, die z.B. vergleichbar wären mit dem Zusammenhang des Ausspielens von gezielter Werbung und der Kaufentscheidung in einem Online-Shop. An dieser Stelle sei aber angemerkt, dass es möglich ist, Effekte und Wirkungen von Angeboten in der Sozialen Arbeit empirisch mit Daten zu erfassen. Die nachfolgenden Beispiele zeigen, dass es hierbei aber eine differenzierte Betrachtung benötigt.


Ein Beispiel: Ein Jugendlicher aus schwierigen familiären Verhältnissen besucht regelmäßig über mehrere Jahre einen offenen Jugendtreff und macht dort unterschiedliche Erfahrungen, die ihn und sein Wertesystem stark prägen. Vieles davon hat mit informellen und beiläufigen Gesprächen mit den Sozialarbeiter:innen zu tun. An einigen entscheidenden Punkten in seinem späteren Leben trifft er wichtige Entscheidungen und denkt dabei an diese Gespräche zurück. Es ist praktisch nicht möglich und vermutlich nicht sinnvoll, solche Auswirkungen in irgendeiner Weise direkt quantitativ messbar machen zu wollen und auf ein einfaches Ursache-Wirkungs Prinzip zu reduzieren.


Zum anderen erscheint es aber sinnvoll, in Angeboten der Sozialen Arbeit zu erfassen, welche Veränderungen und Stabilisierungen bei der Zielgruppe durch die Begleitung und/oder Beratung entstanden sind. Diese Effekte sind ein erstes Anzeichen für Wirkungen, die durch diese Angebote erzielt werden. Ein Beispiel wäre die sozialpädagogische Begleitung von Jugendlichen während einer Ausbildung. Hier könnte eine erzielte Wirkung das erfolgreiche Absolvieren der Ausbildung und ein Kompetenzzuwachs sein. Dieser kann mit Daten nachgewiesen werden.

Kultur der Kontrolle

Die Besonderheit der Finanzierung sozialer Dienstleistungen hat zur Folge, dass die Träger der Kosten sozialer Dienstleistungen eine zum Teil schwierige Aufsichts- und Kontrollfunktion ausüben. In der freien Wirtschaft sind es im wesentlichen die Kund*innen, deren Zufriedenheit mit der erbrachten Dienstleistung, ausschlaggebend dafür ist, dass a) die Dienstleistung ohne Widerspruch bezahlt wird und b) die Dienstleistung weiterempfohlen oder selbst wieder in Anspruch genommen wird. Dies ist wiederum entscheidend dafür, dass weiterer Umsatz generiert wird. In der Sozialwirtschaft ist die Zufriedenheit der Leistungsempfänger eines von vielen Kriterien, um die Leistungserbringung zu bewerten. Kostenträger haben häufig keinen  Zugang zu dieser subjektiven Bewertung der Leistungsempfänger bzw. sehen sie gar nicht als relevantes Kriterium. Schließlich steht vor allem ein erheblicher Kostendruck. Insofern wird das Handeln von Menschen im sozialen Bereich aus unterschiedlichen Blickwinkeln kritisch unter die Lupe genommen: Gibt es für das, was da angeboten wird, einen Bedarf? Wird mit dem, was angeboten wird, wirklich Wirkung erzielt? Und sind die Ausgaben, die dafür getätigt werden müssen nicht viel zu hoch? Dieser kritische Blick ist für Menschen in der Sozialwirtschaft spürbar. Die Frage nach einer besseren Nutzung von Daten, weckt schnell Urängste von Menschen, die im sozialen Bereich tätig sind: Hier könnte versucht werden, durch Reduktion von Komplexität und das scheinbare Messen des Nicht-Messbaren den Beweis zu führen, dass die Kosten für bestimmte soziale Angebote nicht zu rechtfertigen sind. Fängt man erstmal an, auf dieser scheinbar objektiven Ebene zu argumentieren, wird es ggf. schwierig dem etwas entgegenzusetzen, da der Beweis, dass es sich doch lohnt empirisch nicht so einfach zu erbringen ist.

Diese genannten Punkte sind durchaus ernst zu nehmen. Sie machen es zum Teil besonders schwierig, eine Kultur zu etablieren, in der auch Potenziale eines stärker datenbasierten Arbeitens gesehen und genutzt werden. Will man eine solche Kultur etablieren, so wird man dies nicht tun, indem man die Organisationen der Wohlfahrtspflege bzw. der Sozialwirtschaft gegen den Strich bürstet. Man muss diese besondere Ausgangssituation und die damit verbundenen Ängste und Glaubenssätze ernst nehmen und versuchen Kompromisse zu finden.

Wie kann man nun die Datenkultur einer Organisation verändern?

Um die Kultur einer Organisation nachhaltig zu verändern, ist es wichtig, alle Beteiligten einzubeziehen und Verständnis für die vorhandenen Ängste und Vorbehalte zu entwickeln. Veränderungen sollten schrittweise eingeführt werden, um sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden die neuen Ansätze verstehen und mittragen. Zudem ist es hilfreich, positive Beispiele aus der Praxis zu zeigen, die verdeutlichen, wie eine datenbasierte Arbeitsweise zu Verbesserungen geführt hat. Eine offene Kommunikation, Schulungen und der kontinuierliche Dialog zwischen Führung und Mitarbeitenden sind entscheidende Faktoren, um eine Kulturveränderung erfolgreich zu gestalten.

Um dies zu erreichen, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Beteiligung und Inklusion: Alle Mitarbeitenden sollten von Anfang an in den Veränderungsprozess eingebunden werden, damit sie die Möglichkeit haben, ihre Bedenken zu äußern und aktiv mitzugestalten.
  • Schrittweise Umsetzung: Veränderungen sollten in kleinen, überschaubaren Schritten eingeführt werden, um Unsicherheiten zu minimieren und eine schrittweise Anpassung zu ermöglichen.
  • Positive Praxisbeispiele: Zeigen Sie anhand konkreter, positiver Praxisbeispiele, welche Verbesserungen eine datenbasierte Arbeitsweise erzielen kann. Dies motiviert und schafft Vertrauen.
  • Offene Kommunikation: Eine klare und transparente Kommunikation über die Gründe für die Veränderung und die erwarteten Vorteile ist entscheidend, um Vertrauen aufzubauen.
  • Schulungen und Weiterbildung: Bieten Sie regelmäßige Schulungen an, damit alle Mitarbeitenden die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse entwickeln können, um mit den neuen Methoden erfolgreich zu arbeiten.
  • Kontinuierlicher Dialog: Fördern Sie den Austausch zwischen Führung und Mitarbeitenden, um aufkommende Fragen und Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.
  • Erfolg sichtbar machen: Es ist wichtig, Erfolge sichtbar zu machen, um die Motivation aufrechtzuerhalten und den Mehrwert der Veränderung zu verdeutlichen.
  • Kulturelle Vorbilder schaffen: Führungskräfte sollten als Vorbilder agieren und die gewünschte Kulturveränderung vorleben, um Akzeptanz und Vertrauen zu fördern.
  • Ressourcen bereitstellen: Stellen Sie sicher, dass ausreichend Zeit und Mittel für den Veränderungsprozess zur Verfügung stehen, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

Andere Menschen – andere Kultur?

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass sich die Kultur von Organisationen auch auf natürliche Weise verändert, besonders durch den Eintritt neuer Generationen von Mitarbeitenden. Jüngere Generationen bringen eine viel stärkere Selbstverständlichkeit im Umgang mit digitalen Technologien mit. Sie haben weniger Verständnis dafür, wenn Informationen auf Papier dokumentiert oder redundant in digitale Systeme eingegeben werden. Für viele der sogenannten Digital Natives steht Effizienz und die Nutzung moderner Werkzeuge im Vordergrund.

Zudem stellen die jüngeren Generationen häufiger die Frage nach dem Sinn ihres Tuns. Sie wollen nicht nur arbeiten, sondern sie wollen etwas bewirken. Das bedeutet, dass sie weniger bereit sind, ihre Zeit in überholte Verwaltungsabläufe zu investieren, die keinen direkten Mehrwert schaffen. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass die jüngere Generation weniger leistungsbereit sei, zeigt sich vielmehr, dass sie sehr wohl leistungsbereit sind – jedoch unter der Bedingung, dass ihre Arbeit einen sinnvollen Einfluss hat und ihre Energie nicht in ineffiziente Strukturen fließt.

Insofern geht von dieser Generation ein gewisser Anspruch an die Effizienz und Effektivität von Datenerfassung aus: Datenerfassung sollte so gestaltet sein, dass sie kein unnötig aufwändiger Selbstzweck ist, sondern sollte mit zeitgemäßen Mitteln hilfreiche Informationen darüber liefern, ob das eigene Tun tatsächlich zu sinnvollen Ergebnissen führt.

Mehr Datenkultur wagen

Alles in allem bleibt zusammengefasst der Appell an alle, die in der Sozialwirtschaft Verantwortung tragen: Investiert in eine gute Datenkultur! Das “Investieren” an dieser Stelle ist im Wortsinn zu verstehen, denn alleine mit Appellen wird man die Grundlagen für ein wirklich effektives Arbeiten mit Daten nicht schaffen. Insbesondere dort, wo bereits in die Schaffung der technischen Grundlagen investiert wird oder wurde, sollte nicht an der systematischen Entwicklung einer Datenkultur gespart werden. Ohne diese lassen sich die Potenziale technischer Neuerungen nicht oder nur sehr begrenzt realisieren. Und für die notwendige Kulturveränderung ist es essentiell, die Menschen in den Organisationen mitzunehmen und ernsthaft zu beteiligen.

Logo Civic Data Lab

Hier gibt es noch mehr Informationen zum Thema Daten in der Zivilgesellschaft:
Das Civic Data Lab unterstützt organisierte und nicht-organisierte Akteur*innen der Zivilgesellschaft dabei, gemeinwohlorientierte Ziele durch die Nutzung von Daten besser zu erreichen – indem sie ihre Daten erheben, organisieren und strukturieren, auswerten, miteinander verknüpfen, sie wieder für ihre Zielgruppen einsetzen und für andere verfügbar machen sowie durch verfügbare Daten ergänzen. Daten ÜBER Menschen werden wieder FÜR sie eingesetzt. VON der Zivilgesellschaft, FÜR die Zivilgesellschaft. Für das Gemeinwohl. Von und für ALLE. Die Angebote des Civic Data Lab rund um Vernetzung, Lernen und Machen sind auf der Homepage des Labs zu finden.

Hier gibt es u. a. auch Materialien zum Thema Datenkultur wie z. B. das Datenkultur-Canvas.

Foto von Dr. Georg Förster

Dr. Georg Förster

Ich arbeite für den Deutschen Caritasverband e.V. als Koordinator für das Projekt CariData. Meine besondere Leidenschaft gilt der Frage, wie wir digitale Werkzeuge nutzen, um aus Daten, die in den Arbeitsfeldern der Wohlfahrtspflege erhoben werden, Erkenntnisse für unser Handeln und Wirken zu ziehen. Als Psychologe interessiert mich dabei insbesondere auch das Zusammenspiel von Mensch und Technik sowie die damit verbundene Frage, wie wir datenbasiertes Arbeiten zur Bestandteil der Kultur sozialer Organisationen machen können.