Wie kann in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft ein dateninformiertes Handeln umgesetzt werden? Ab wann spricht man von einem dateninformierten Handeln und welche Bereiche einer Organisation sind davon betroffen? Das Daten-Framework für die Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft, das in diesem Beitrag vorgestellt wird, soll einen Überblick geben, wie eine Umsetzung erfolgen kann. Der Beitrag entstand am Kompetenzzentrum Wirkungsorientierung in der Sozialen Arbeit des Instituts für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg.

Ein Beitrag von Sebastian Ottmann und Anne-Kathrin Helten. Der Beitrag kann auch als PDF-Datei in der Schriftenreihe Forschung, Entwicklung, Transfer der Evangelischen Hochschule Nürnberg heruntergeladen werden.

Der Beitrag ist der dritte Teil einer dreiteiligen Reihe rund um Daten in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft:

Vor der KI braucht es ein systematisches Datenmanagement!

Datenkompetenz in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft

Daten-Framework für die Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft

Wie kann man dateninformiert Handeln?

Auch in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft werden regelmäßig Daten erfasst. Sei es durch die tägliche Dokumentation oder die Durchführung von Diagnostiken und Evaluationen, aber auch im Rahmen von betriebswirtschaftlichen Prozessen. Durch die Erfassung dieser Daten entsteht ein Schatz an Informationen, der im Idealfall  für ein sog. dateninformiertes Handeln (vgl. Ottmann & Helten, 2023) genutzt werden kann. Darunter versteht man, dass für das fachliche Handeln und bei Entscheidungen systematisch Daten berücksichtigt werden. Hierbei ist wichtig zu betonen, dass die finale Entscheidung durch die Fach- und Führungskräfte erfolgt, Daten und Ergebnisse aus Datenanalysen hierbei aber wichtige Informationen liefern, um eine gute und sinnvolle Entscheidung zu fällen.Dass der Einbezug von Daten sinnvoll ist zeigt sich an einer Reihe von Vorteilen, die sich durch dateninformiertes Handeln ergeben (vgl. Ottmann & Helten, 2023; Rashedi, 2022):

  • Entscheidungen können schneller getroffen werden, da alle nötigen Informationen für die Entscheidung vorliegen.
  • Die Qualität der Entscheidung wird erhöht. Durch den Einbezug von Daten können Entscheidungen genauer, transparenter und zuverlässiger getroffen werden. Gerade der Aspekt der Transparenz erscheint hier ein zentrales Argument, da durch den Einbezug der Daten klar aufgezeigt werden kann, auf welchen Informations- und Wissensstand die Entscheidung getroffen wurde. Dies ist bei reinen ‚Bauchentscheidungen‘ oder Entscheidungen aus Erfahrungswissen nicht immer möglich.
  • Durch den Einbezug von Daten sind auch zukunftsbezogene Prognosen möglich. Man kann daher mit Daten nicht nur Entwicklungen in der Vergangenheit analysieren, sondern auch Prognosen für die Zukunft erstellen.

Doch wie kann ein dateninformiertes Handeln umgesetzt werden? Hier bietet sich eine Orientierung an dem sogenannten PPDAC-Zyklus an (in Anlehnung an Spiegelhalter, 2020; Wild & Pfannkuch, 1999):

Darstellung des PPDAC-Zyklus: Problem/Fragestellung, Plan, Daten, Analyse, Konklusion/Kommunikation
PPDAC-Zyklus

Dieser Zyklus beschreibt ein Vorgehen, das in fünf Phasen eingeteilt ist:

  1. Zuerst wird ein Problem oder eine Fragestellung identifiziert, zu der ein Handeln oder eine Entscheidung nötig ist. Die Formulierung des Problems bzw. der Fragestellung sollte möglichst konkret erfolgen. Neben der Formulierung gilt es bereits in dieser Phase zu prüfen, ob zu diesem Problem oder Fragestellung bereits Daten vorliegen oder noch Daten erhoben werden müssen. Wie bereits beschrieben, liegen in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft bereits Daten vor, weswegen in der dargestellten Abbildung ein direkter Pfeil zur Phase „Daten“ eingezeichnet wurde. Liegen noch keine geeigneten Daten vor, wird als Nächstes die Phase „Plan“ durchgeführt.
  2. Im Schritt Plan kann überprüft werden, wie Daten zur Beantwortung der Fragestellung erhoben werden können. In dieser Phase ist zu klären, wie die Daten erhoben werden können (z. B. Genügt eine Abfrage innerhalb der Organisatin oder ist eine größere Online-Befragung nötig?) und ob hierfür Erhebungsinstrumente entwickelt werden müssen. Der Schritt „Plan“ enthält zudem die eigentliche Datenerhebung.
  3. In der Phase Daten liegen die benötigten Daten vor und müssen für die Analysen aufbereitet werden. Hierbei sollten die Datensätze auf Plausibilität und Vollständigkeit überprüft werden. Auch kann es ggf. nötig sein, bestimmte Teildatensätze zu bilden oder benötigte Variablen für die Analyse zu berechnen. Gerade der Aspekt der Datenaufbereitung ist ein wichtiger Schritt, da nur gut aufbereitete Daten später auch analysiert werden können.
  4. Nach der Datenaufbereitung erfolgt die Analyse der Daten. In einem ersten Schritt erscheint es sinnvoll, mithilfe von deskriptiven statistischen Methoden (vgl. Ottmann, 2016) einen ersten Überblick über die Daten zu erhalten. Hierbei sollten auch entsprechende Visualisierungsmöglichkeiten zum Einsatz kommen. Im Hinblick auf die definierte Fragestellung oder das Problem muss geprüft werden, mit welchen Auswertungsmöglichkeiten Erkenntnisse gewonnen werden können. Müssen beispielsweise Gruppenunterschiede oder der Verlauf über einen längeren Zeitraum betrachtet werden? Die Methoden der Datenanalyse bieten hier vielfältige Ansätze (vgl. u.a. Eid, Gollwitzer & Schmitt, 2017; Gutman & Goldmeier, 2022; Provost & Fawcett, 2013).
  5. Die Ergebnisse werden schließlich aufbereitet und in der Phase Konklusion / Kommunikation wird dann versucht, die Fragestellung zu beantworten bzw. eine Lösung zum definierten Problem zu beschreiben. Im Idealfall kann daraus eine direkte Handlung oder Entscheidung abgeleitet werden. In manchen Fällen kann es aber auch nötig sein, dass der Zyklus mit einer neuen bzw. differenzierteren Fragestellung durchlaufen werden muss.

Nachdem nun die notwendigen Schritte für einen dateninformierten Handlungsprozess beschrieben wurden, stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen nötig sind, damit ein solcher Prozess auch in der Praxis durchgeführt werden kann.

Das Daten-Framework: Voraussetzungen für dateninformiertes Handeln in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft

Für die Umsetzung von dateninformiertem Handeln sind Voraussetzungen und Ressourcen auf zwei verschiedenen Ebenen notwendig: Auf der personellen Ebene der Fach- und Führungskräfte werden Datenkompetenzen und eine gelebte Datenkultur benötigt,  auf der institutionellen Ebene der Organisation muss eine Datenkultur etabliert und eine Data Governance (vgl. Bollweg, 2021; Weber & Klingenberg, 2021) aufgebaut werden.

Im nachfolgenden Daten-Framework für die Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft wird die personelle und organisationale Ebene verbunden und dargestellt, welche Bereiche, bei einer Umsetzung von dateninformierten Handeln in den Blick genommen werden müssen. Das Daten-Framework wurde in Anlehnung an das qualitätsorientierte Data Governance-Framework von Weber & Klingenberg (2021) entwickelt und unterscheidet die Bereiche Strategie, Umsetzung und Ergebnisse.

Darstellung des Daten-Frameworks mit den Ebenen Strategie, Umsetzung und Ergebnisse. Die Ebenen und Unterbereiche werden im Beitrag beschrieben.
Daten-Framework für die Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft

Voraussetzung: Datenqualität, Datenschutz und Partizipation

Um dateninformiert in Organisationen entscheiden zu können, gibt es drei zentrale Voraussetzungen, die sich über den gesamten Implementierungs- und Durchführungsprozess ziehen:

  • Eine zentrale Voraussetzung ist die Datenqualität (vgl. Apel, Behme, Eberlein & Merighi, 2015). Sollen Daten Grundlage für Entscheidungen sein, muss im gesamten Prozess sichergestellt sein, dass die Daten über eine hohe Datenqualität verfügen. Nur so ist sichergestellt, dass verlässliche Entscheidungen getroffen werden können.
  • Neben der Datenqualität spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle. Die Umsetzung von dateninformiertem Handeln muss immer im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften erfolgen. Gerade in Wohlfahrtsverbänden gibt es hier Herausforderungen zu lösen, wenn es darum geht, dass auch Bundes- oder Landesverbände Daten nutzen können, die auf Kreis- oder Ortsebene erhoben werden. Auch sollten immer anonymisierte Daten für die Entscheidungsfindung herangezogen werden.
  • Für die praktische Umsetzung zeigt sich, dass ein partizipatives und agiles Vorgehen eine wichtige Rolle spielt. Natürlich braucht es vom Management einer Organisation eine klare Entscheidung für den Aufbau und das Leben einer Datenkultur und hierfür müssen auch entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden.  Dateninformiertes Handeln und eine Datenkultur können jedoch nicht ‚automatisch‘ Top-down in einer Organisation eingeführt werden. In der praktischen Umsetzung wird daher zugleich auch ein Bottom-up-Vorgehen benötigt! Die Erarbeitung von Anwendungsfällen und Datenprodukten sollte immer partizipativ mit den Mitarbeitenden erfolgen. Dadurch ist sichergestellt, dass diese, nach einer erfolgten Umsetzung, auch genutzt werden.

Der Einstieg: Partizipation durch Datenworkshops

Ein guter erster Schritt für ein partizipatives Vorgehen ist die Durchführung von Datenworkshops. Diese eignen sich auch gut als Einstieg in einen längerfristigen Prozess und sollten im Idealfall anhand einer konkreten Fragestellung oder Herausforderung durchgeführt werden. Idealerweise nehmen an den Workshops Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen teil, um mögliche Datensilos aufzubrechen, also um Daten aufzuspüren, die nur in einzelnen Abteilungen gespeichert werden,  aber auch für andere Abteilungen relevant sein können.

Im Rahmen eines Datenworkshops sollen folgende Fragen beantwortet werden:

  • Welchen Daten haben wir bereits vorliegen?
  • Welche Daten benötigen wir zusätzlich und wie können wir diese erhalten?
  • Was sind sinnvolle Anwendungsfälle (Use Cases)?

Das Ziel des Workshops ist es, einen systematischen Überblick über vorhandene Daten zu erhalten, aber auch festzuhalten, welche weiteren Daten ggf. benötigt werden. Die Erfahrungen zeigen, dass durch die Erarbeitung von konkreten Anwendungsfällen für die praktische Arbeit das Commitment für einen längerfristigen Prozess bei den Mitarbeitenden ansteigt. Zudem stellt eine solche partizipative Entwicklung von Anwendungsfällen sicher, dass später zur Verfügung gestellte Datenprodukte passgenau sind und in der Praxis eingesetzt werden.

Ebene der Strategie – Datenstrategien entwickeln

Innerhalb der strategischen Ebene kann dann – nach der Durchführung von einem oder im Idealfall mehreren Datenworkshops – eine Datenstrategie formuliert werden. In einer Datenstrategie wird festgehalten, wie in einer Organisation mit Daten umgegangen und wie mit diesen Daten Wissen erzeugt wird. Man spricht hierbei auch von einer sogenannten Data Governance:

„Data Governance ist die strukturierte Einbettung der Praktiken (Vorgehensweisen und Methoden) des Datenmanagements in die Aufbau- und Ablauforganisation einer Unternehmung.“

Bollweg, 2021, S. 11

In einer Datenstrategie werden damit auch Punkte festgehalten, die im Daten-Framework in der Ebene der Umsetzung benannt werden. Mit der Datenstrategie soll für alle Mitarbeitenden klar festgehalten werden, wie in der Organisation mit Daten umgegangen wird, welche Zuständigkeiten es gibt und auch welche Tools und Abläufe zum Einsatz kommen.

In der Praxis zeigt sich, dass es oft nicht hilfreich ist, wenn vom Management einer Organisation eine Datenstrategie erarbeitet und dann den Mitarbeitenden vorgegeben wird. Vielmehr erscheint es sinnvoll, eine Datenstrategie nach der Durchführung der beschriebenen Datenworkshops zu erarbeiten und hierbei auch wieder Mitarbeitende miteinzubinden. Eine Datenstrategie ist somit oft das Ergebnis einer ersten praktischen Umsetzung von dateninformiertem Handeln in Organisationen.

Ebene der Umsetzung

Die Umsetzungsebene des Daten-Frameworks nimmt drei Bereiche in den Blick: Personen, Organisationen und IT. Alle drei Bereiche gehören für eine gelungene Umsetzung von dateninformiertem Handeln zusammen. In der Praxis zeigt sich aber, dass ein besonderes Augenmerk auf die Personen einer Organisation gelegt werden sollte. Denn nur wenn sie die entsprechenden Kompetenzen haben und eine Datenkultur gelebt wird, kann dateninformiertes Handeln erfolgreich umgesetzt werden.

Personen

Im Rahmen der Umsetzung ist die personelle Perspektive eine der zentralen Perspektiven. Nur wenn die Fach- und Führungskräfte befähigt werden, mit Daten zu arbeiten, wird langfristig ein dateninformiertes Handeln in Organisationen implementiert werden können. In diesem Bereich geht es vor allem um den Aufbau einer Datenkultur sowie um die Vermittlung von Datenkompetenz. Unter einer Datenkultur versteht man, dass es selbstverständlich ist, dass in einer Organisation mit Daten gearbeitet wird und diese bei Entscheidungen mitberücksichtigt werden. Die Mitarbeitenden in der Organisation stehen dieser Datenkultur im Idealfall positiv gegenüber und tragen ihren Teil hierzu bei. Ein zentrales Element, um eine Datenkultur aufzubauen, ist die Vermittlung und der Aufbau von Datenkompetenz, damit die Mitarbeiten mit Daten umgehen und diese auch kritisch einordnen können. Daher nimmt das Konzept der Datenkompetenz vor allem folgende Bereiche in den Blick (vgl. Schüller, Busch & Hindinger, 2019):

  • Datenkultur etablieren
  • Datenquellen identifizieren und Daten bereitstellen
  • Daten auswerten und Auswertungen kritisch bewerten
  • Ergebnisse und Datenprodukte interpretieren
  • Handeln ableiten

Anhand der Bereiche ist gut erkennbar, dass mit dem Konzept der Datenkompetenz Kompetenzen und Fähigkeit vermittelt werden, die im Rahmen eines dateninformierten Handelns und dem Durchlaufen des PPDAC-Zyklus benötigt werden.

Innerhalb einer Organisation sollte geprüft werden, welche Mitarbeitende welche Kompetenzen benötigen. So wird es in den meisten Fällen nicht nötig sein, dass alle Mitarbeitende Daten eigenständig auswerten und analysieren können. Hierzu wird es auch zukünftig Expert*innen geben, die die Datenanalyse durchführen und die Ergebnisse in Datenprodukten zur Verfügung stellen. Viel wichtiger ist hier die Fähigkeit der kritischen Bewertung von Auswertungen, die zukünftige Fach- und Führungskräfte benötigen. Nur darüber kann sichergestellt werden, dass Datenprodukte wie Dashboards auch eigenständig interpretiert werden können. Ein weiteres Beispiel für den individuellen Kompetenzaufbau in Organisationen ist der Bereich der Datenerhebung. Die Mitarbeitenden, die Daten regelmäßig erfassen, sollten diesbezüglich stärker geschult werden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Datenkompetenz unter Fach- und Führungskräften in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden muss. Neben dieser Kompetenzentwicklung ist es zentral, dass auch eine Datenkultur etabliert und unter den Mitarbeitenden gelebt wird. Ziel sollte es daher sein, dass es für die Mitarbeitenden in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft selbstverständlich wird, Daten regelmäßig im fachlichen Handeln und bei Entscheidungen zu berücksichtigen.

Organisation

Dateninformiertes Handeln zu implementieren bedeutet eine langfristige Integration des Konzeptes in der Organisation. Dies geschieht in den meisten Fällen über die Entwicklung und Verabschiedung einer Datenstrategie und den Aufbau einer Data Governance. Neben diesen strategischen Entscheidungen muss aber auch die Umsetzung im operativen Alltag erfolgen. Die Methoden und Verfahren in der Organisation zu implementieren ist folglich ein langfristiger Organisationsentwicklungsprozess, denn man sich bewusst sein sollte.

Zentral im Bereich der Organisation ist, dass das Datenmanagement inkl. Aufgaben und Zuständigkeiten klar geregelt ist. In diesem Zusammenhang spielen sogenannte Data Stewards (vgl. Weber & Klingenberg, 2021, S. 24 ff.) eine zentrale Rolle. Data Stewards haben die Verantwortung für das Datenmanagement von bestimmten Daten. Diese Funktion können bestehende Mitarbeitende übernehmen und in den meisten Fällen macht es Sinn, fachliche Data Stewards zu definieren. So könnte ein Data Steward in einer Organisation die Verantwortung für die Diagnostik-Daten haben. Durch diese Rolle ist er dafür zuständig, dass die Daten regelmäßig aktualisiert und erhoben werden und dass die Erhebung der Daten auch einheitlich nach zuvor festgelegten Richtlinien und Standards erfolgt.

Neben dem Datenmanagement ist auf der Ebene der Organisation auch zentral, dass standardisierte Prozesse und Methoden eingeführt und festgeschrieben werden. Dies fängt bei Standards für die Datenerhebung an, die sicherstellen, dass ähnliche Daten gleich erhoben werden (z. B. Adress- oder Klient*innendaten). Daneben sollten aber auch einheitliche Methoden innerhalb der Organisatin etabliert werden, wie mit Daten umgegangen wird. Gerade in diesem Bereich sollten Prozesse zur Datennutzung in der Organisation beschrieben werden. Der Frage nach den richtigen Prozessen, Methoden und Standards kann man sich auch durch konkrete Pilotprojekte annähern. Sind diese im Rahmen des Pilotprojektes erfolgreich implementiert worden, können sie als Standard in der gesamten Organisation eingeführt werden.

IT

Neben der Organisation und den Personen braucht es natürlich auch eine entsprechende IT-Architektur, um gut mit Daten arbeiten zu können. In den letzten Jahren gab es hier sehr viele Entwicklungen von Software, die bei der Datenerfassung, dem Datenmanagement und der Datenanalysen unterstützen. Daher erscheint auch im Bereich der IT eine Bestandsaufnahme in einem ersten Schritt sinnvoll, in welchen Computerprogrammen bisher Daten erhoben werden. Ist dies geklärt, sollte sich die Frage gestellt werden, welche Datenarchitektur man zukünftig benötigt. Im Rahmen einer Datenarchitektur werden Tools zur Sammlung, Organisation, Transformation und Analysen von Daten benötigt.

Zentral ist hierbei, ob diese Tools auf lokalen Serverstrukturen betrieben werden sollen oder in der Cloud. Eine weitere wichtige Frage ist, ob die Datenarchitektur zentral aufgebaut werden soll oder ein dezentraler Ansatz gewählt wird. Ein dezentraler Ansatz der Datenarchitektur wird unter dem Begriff Data Mesh (vgl. Dehghani, 2023) diskutiert. Dieses dezentrale Vorgehen könnte auch für Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft zielführend sein. Gerade für große Träger oder auch Wohlfahrtsverbände könnte es sinnvoll sein, die Datenhaltung dezentral in den einzelnen Abteilungen zu organisieren. Hierbei sollte aber trotzdem die gleiche Software eingesetzt werden und auf organisationaler Ebene entsprechende Standards zur Datenerfassung bestehen.

Eine wichtige Frage bei der Umsetzung in der IT ist zudem, inwieweit der Anschluss an bestehende Software möglich ist. Hier gibt es die Möglichkeit, über sogenannte API-Schnittstellen verschiedene Programme miteinander zu verbinden. So könnte über die API-Schnittstelle das Programm für die Dokumentation und das Klient*innenmanagement direkt mit dem Programm für den Datenkatalog verbunden werden. Ob und in welchem Umfang dies möglich ist, muss individuell geprüft werden. Eine solche Prüfung erscheint aber zentral, um mögliche doppelte Datenerfassungen zu minimieren.

Gerade im Bereich der IT müssen die datenschutzrechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Insofern erscheint es zielführend, nicht auf Cloud-Lösungen zu setzten (wie z. B. Microsoft Power BI oder Tableu), da diese oft über amerikanische Server betrieben werden. Eine gute Alternative, gerade auch für Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft, sind Open-Source-Softwareprodukte, die auch auf eigenen Servern installiert werden können. Im Bereich von Datenbank wäre hier PostgreSQL genannt, bei der Entwicklung von Dashboard-Lösungen Metabase und Apache Superset. Für die Datenanalyse gibt es mit R eine sehr umfangreiche Programmiersprache, die unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht wird und auch im Bereich von Datenkatalogen gibt es entsprechende Lösungen, wie Amundsen oder CKAN.

Ebene der Ergebnisse

Im Rahmen der Umsetzung von dateninformiertem Handeln sollten immer die Ergebnisse im Mittelpunkt stehen. Zentral erscheint hier der Aufbau eines Datenkatalogs, aber auch die passgenaue Zurverfügungstellung von Datenprodukten. Um mit Daten und Ergebnissen aus Datenanalysen auch fachlich arbeiten zu können, muss der Interpretation dieser ein großer Stellenwert zugesprochen werden.

Datenkatalog

Erstes Ziel beim Aufbau einer Datenkultur und einer Data Governance sollte die Erstellung eines Datenkatalogs sein. Ein Datenkatalog gibt einen Überblick über die in einer Organisation erhobenen Daten und stellt Metadaten zu diesen zur Verfügung. Solche Metadaten können eine Beschreibung des Datensatzes darstellen, etwa die Information, wer für diesen Datensatz zuständig ist, wie oft dieser Datensatz aktualisiert wird, aber auch welche Datenprodukte bereits auf diesem Datensatz aufbauen.

Ein solcher Datenkatalog kann ein Ergebnis aus dem eingangs beschriebenen Datenworkshop darstellen. Ein Ziel dieses Workshops ist die Sammlung der bisher erhobenen Daten. Im Idealfall können die Ergebnisse dann in einen Datenkatalog überführt werden. Wichtig ist hierbei, dass die Datensätze mit den entsprechenden Metadaten angereichert werden, damit im Datenkatalog die wichtigsten Informationen abrufbar sind. Dieser sollte für alle Mitarbeitende einer Organisation zugänglich sein.

Mithilfe eines Datenkatalogs können Datensilos in Organisationen aufgebrochen werden. Denn durch die systematische Aufbereitung von Daten in einer Organisation ist auch sichergestellt, dass die Daten in verschiedenen Abteilungen genutzt werden können und alle Mitarbeitende über den gleichen Kenntnisstand verfügen.

Datenprodukte

Sollen Daten und Ergebnisse aus Datenanalysen in die fachliche Arbeit einfließen und in Entscheidungen berücksichtigt werden, sind passgenaue Datenprodukte für Mitarbeitende nötig. Hierbei ist es wichtig schon zu Beginn möglichst genau zu klären, was benötigt wird. Auch wenn beispielsweise ein Dashboard (vgl. Ottmann, 2021) eine gute Möglichkeit ist, Ergebnisse interaktiv darzustellen, muss es nicht immer das richtige Instrument sein.

Vielmehr sollte schon zu Beginn, bei der Erarbeitung von Anwendungsfällen, geklärt werden, wie das Datenprodukt am Ende aussehen soll. Gerade bei dieser Frage ist ein partizipatives Vorgehen zentral, d.h. die späteren Endanwender sollen so früh wie möglich in die Beantwortung der Frage eingebunden werden.

Prinzipiell kann man unterscheiden zwischen Reports, die regelmäßig erstellt werden und Dashboards, mit dem die Mitarbeitenden die Daten selbstständig abrufen und zum Teil auch Einstellungen vornehmen können (z. B. bestimmte Filter setzen). Neben diesen beiden Möglichkeiten kann man aber auch Ergebnisse aus Datenanalysen, gerade im Bereich des Machine Learning, als eigenständige API zur Verfügung stellen. Dies hat den Vorteil, dass die entwickelten Modelle, z. B. zur Vorhersage bestimmter Werte, in bestehende Programme integriert werden können.

Die Erarbeitung von passgenauen Datenprodukten erscheint ein Erfolgsfaktor für die Umsetzung eines dateninformierten Handelns. Nur wenn die Mitarbeitenden mit den Datenprodukten umgehen können und die entsprechenden Informationen aus diesen erhalten, werde sie Daten zukünftig auch stärker in ihrer Arbeit berücksichtigen.

Interpretation

Die Bereitstellung von Datenprodukten ist aber nur ein erster Schritt. Zusätzlich dazu braucht es auch immer Räume für die Interpretation der Daten und Ergebnisse. Daher müssen zukünftig in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft regelmäßige Formate und Räume etabliert werden, in denen eine solche Interpretation stattfinden kann. Dies kann beispielsweise durch feste Termine in den Teambesprechungen erfolgen, aber auch durch die Organisation eines jährlichen Fachtags, in dem das pädagogische Team zusammen kommt.

Wichtig bei solchen Formaten ist, dass möglichst unterschiedliche Perspektiven miteinander vereint werden. Daher ist es sinnvoll, Diskussionsgruppen regelmäßig zu tauschen. In einem ersten Schritt sollen die zentralen Erkenntnisse und Ergebnisse visualisiert werden, bevor dann die eigentliche Interpretation beginnt. Hierbei kann man sich folgende Fragen stellen:

  • Was sind überraschende Ergebnisse?
  • Welche Ergebnisse haben wir erwartet und sind diese auch eingetreten?
  • Gibt es Aspekte, die auf ein Weiterentwicklungspotenzial von Angeboten und Leistungen hindeuten?
  • Profitieren alle Nutzer*innen von unseren Angeboten gleich?
  • Gibt es Erkenntnisse, die uns bei der zu Beginn formulierten Frage- oder Problemstellung weiterhilft?

Im Idealfall können in einem solchen Interpretationsprozess konkrete Handlungen abgeleitet bzw. Entscheidungen getroffen werden. Die sogenannte VIA-Methode (Visualisieren – Interpretation – Aktion) ist ein Vorgehen, das bei Interpretationen eingesetzt werden kann und bei Ottmann & König (2023, S. 93 ff.) vorgestellt wird.

Die ersten Schritte in der Praxis

In diesem Beitrag wurde mit dem Daten-Framework für die Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft dargestellt, welche Ebenen und Bereiche bei der Umsetzung eines dateninformierten Handelns in den Blick genommen werden müssen.

Möchte man ganz konkret in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft verstärkt mit Daten arbeiten, empfehlen sich folgende erste Schritte in der Praxis:

  1. Konkrete Herausforderung oder Arbeitsfeld/Angebot als Pilotprojekt auswählen.
  2. Durchführung eines Datenworkshops.
  3. Durchlaufen des PPDAC-Zyklus und hierbei auch die Prüfung, wie eine technische und inhaltliche Umsetzung in der Organisation erfolgen kann. Bei dieser Prüfung sollten die verschiedenen Ebenen und Bereiche im Daten-Framework berücksichtigt werden.
  4. Reflexion und Übertragung des Gelernten auf andere Herausforderungen und Arbeitsbereiche.

Je nach Größe der Organisation kann es auch sinnvoll sein, nach einem ersten erfolgreichen Pilotprojekt zunächst weitere Pilotprojekten durchzuführen. In den Projekten sollte ein agiles Vorgehen gewählt werden, das die Beteiligten in die Lage versetzt, auf konkrete Herausforderungen in der Praxis sofort zu reagieren und ggf. Prozesse und Methoden anzupassen. Haben sich Methoden, Instrumente und Prozesse in den Pilotprojekten als zielführend erwiesen, können sie auf weitere Teile der Organisation übertragen werden. Ziel sollte es sein, dass am Ende des Prozesses eine Datenstrategie für die Organisation formuliert und eine verbindliche Data Governance eingeführt wurde.

Fazit

In den nächsten Jahren wird es für Organisationen in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft immer wichtiger werden, mit Daten systematisch umzugehen. Zum einen ergibt sich hieraus ein Mehrwert für die fachliche Arbeit, gerade wenn auch fachliche Daten durch Evaluation und ein wirkungsorientiertes Monitoring erhoben werden, zum anderen kann man aber mit der systematischen Auswertung von Daten auch darstellen, wieso es einen Bedarf für Angebote und Leistungen gibt. Daher sollten die verschiedenen Organisationen, sowohl die Leistungserbringer als auch die Leistungsträger, Ministerien und Kommunen, die Chance nutzen und ihren ‚Datenschatz‘ heben. In dem vorgestellten Beitrag wurde aufgezeigt, wie ein Vorgehen in der Praxis aussehen kann und welche Ebenen und Bereiche dabei in den Blick genommen werden müssen. Um langfristig eine Data Governance aufzubauen, wird ein längerfristiger Prozess nötig sein. Mit konkreten Pilotprojekten und Datenworkshops kann aber ein einfacher Einstieg in einen solchen Prozess gefunden werden. Zudem eignet sich ein solches Vorgehen, um den Mehrwert eines dateninformierten Handelns gegenüber den Mitarbeitenden darzustellen und diese im Prozess zu beteiligen.

Literatur

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