Ein Blog zu Wirkungsorientierung, Wirkungsanalyse, Evaluation, Datenanalyse und Datenkompetenz in der Sozialen Arbeit

Wirkung – mit dem Begriff differenziert umgehen

Möchte man sich mit dem Thema Wirkungsorientierung und Wirkungsanalyse in der Sozialen Arbeit beschäftigen, muss in einem ersten Schritt ein Verständnis für den Begriff Wirkung entwickelt werden. Was genau ist denn eine Wirkung? Was bedeutet es denn, wenn wir sagen: „Eine Maßnahme hat gewirkt.“? In diesem Beitrag wird eine Definition des Begriffs vorgestellt und gefordert, sowohl in der Praxis der Sozialen Arbeit als auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung differenziert und transparent mit dem Begriff Wirkung umzugehen.

Definition von Wirkung

Möchte man die Bedeutung eines Wortes erfahren, lohnt sich ein Blick in den Duden, wo auch eine Definition für den Begriff „Wirkung“ zu finden ist. Wirkung wird als eine Veränderung, die durch eine verursachende Kraft bewirkt wird, definiert (vgl. Bibliographisches Institut, o. J.). In dieser Definition sind zwei entscheidende Punkte festgehalten, nämlich: Wir sprechen dann (und auch nur dann) von einer Wirkung, wenn sowohl

  • eine Veränderung (bzw. eine Stabilisierung, wie wir noch sehen werden) als auch
  • eine sie verursachende Kraft existiert.

Gerade der zweite Punkt ist deshalb zentral, weil durch ihn ein kausaler Mechanismus definiert wird. Für die Angebote und Maßnahmen der Sozialen Arbeit bedeutet dies, dass wir, wenn wir von der Wirkung eines Angebots sprechen, auch in der Lage sein müssen, diese Veränderung auf das Angebot oder die Maßnahme (mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit) zurückzuführen, also den Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zu erbringen.

Eine wichtige Erweiterung der Definition von Wirkung ist in der Evaluationsliteratur zu finden. Hier wird Wirkung wie folgt definiert: „Eingetretene Veränderungen oder Stabilisierungen bei den Zielgruppen eines (…) Programms (…), die ursächlich auf dieses Programm zurückgehen.“ (Balzer & Beywl, 2015, S. 192). Auch in dieser Definition ist der kausale Mechanismus definiert, für die Soziale Arbeit gibt es aber eine wichtige Erweiterung im Vergleich zur Definition aus dem Duden. Es wird nämlich nicht nur von Veränderungen gesprochen, sondern auch von einer Stabilisierung. Dies erscheint gerade für die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit sinnvoll, da hier auch eine Wirkung darin bestehen kann, dass eine bestimmte (Lebens-)Situation, erworbene Kompetenzen oder Verhaltensweisen, stabilisiert werden, ohne dass (in einem ersten Schritt) positive Veränderungen im eigentlichen Sinne eintreten müssen.

Wirkung und Wirksamkeit

Neben dem Begriff der Wirkung wird auch der Begriff der Wirksamkeit genutzt, so z. B. im Bundesteilhabegesetz (BTHG). Hierbei ist festzustellen, dass die Begriffe unterschiedliche Ebenen betrachten. Die Wirkung bezieht sich auf eine einzelne Person, z. B. die Nutzer*in eines sozialen Angebotes. Bei der Wirksamkeit wird die komplette Maßnahme in den Blick genommen. So wird die Wirksamkeit auch als „Grad, zu dem ein Programm erwiesenermaßen bestimmte Wirkungen auslöst, die in seinen Zielen als anzustrebend vorgegeben sind“ (EvalWiki, 2020) definiert. Es wird also bei der Wirksamkeit geprüft, ob alle Nutzer*innen von einem Angebot oder einer Maßnahme profitieren und bei allen eine Wirkung erzielt wurde oder ob dies nur für einen bestimmten Teil der Nutzer*innen gelungen ist.

Herausforderung Kausalität

Aber wann können wir nun davon sprechen, dass ein soziales Angebot oder eine Maßnahme eine Wirkung erzielt? Nach der oben aufgeführten Definition ist dies immer dann möglich, wenn wir empirisch nachweisen können, dass die eigetretenen Veränderungen oder Stabilisierungen mit großer Wahrscheinlich auf das Angebot oder die Maßnahme rückführbar sind. Um einen solchen empirischen Nachweis zu erbringen wird allerdings – sozialwissenschaftlich betrachtet – eine Vergleichsgruppe benötigt. Es werden also nicht nur die Nutzer*innen in der Maßnahme untersucht, sondern immer auch ‚ähnliche‘ Personen mit den gleichen Problemlagen, die nicht an der Maßnahme teilgenommen haben. In den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit ist es aber oft sehr schwierig, wenn nicht aus ethischen Gründen sogar unmöglich, eine solche Vergleichsgruppe zu bilden, weil man die benötigten Personen nicht erreicht oder aus anderen Gründen nicht untersuchen kann oder darf.

Die Frage stellt sich daher nach der Lösung dieses Problems. Ein Ansatz wäre den Wirkungsbegriff komplett von dem kausalen Mechanismus zu entkoppeln. Dies erscheint mir aber nicht sinnvoll, da in der Definition von Wirkung dieser kausale Mechanismus eine zentrale Rolle einnimmt. Eine bessere Lösung wäre festzustellen und damit einzugestehen, dass Angebote und Maßnahme in der Sozialen Arbeit in einer vielfältigen sozialen Realität eingebettet sind und es daher eine Vielzahl von Kontextfaktoren gibt, die ebenfalls die zu erzielende Wirkung beeinflussen können. Diesen Ansatz greift die sog. Realistic Evaluation auf, die davon ausgeht, dass eine Wirkung immer durch einen Mechanismus und den jeweiligen Kontext entsteht (vgl. Pawson & Tilley, 1997). Insofern ist es nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig, im Rahmen einer Wirkungsanalyse auch immer die Kontextfaktoren zu berücksichtigen und – sofern eine Vergleichsgruppe gebildet werden kann – möglichst viele dieser Kontextfaktoren als „Störvariablen“ in das Design mitaufzunehmen. So kann dann auch geklärt werden, welchen Anteil eine Maßnahme an der festgestellten Wirkung tatsächlich hat und man kann sich möglichst genau dem kausalen Mechanismus der Maßnahme bzw. des Angebotes annähern.

Plädoyer für einen differenzierten Umgang

Da aber ein Vergleichsgruppendesign in der Sozialen Arbeit – wie bereits erwähnt – sehr oft nicht ermöglicht werden kann, erscheint es bei der Durchführung von Wirkungsanalysen sinnvoll, auch mit einer sog. Wirkungsplausibilisierung (vgl. Balzer, 2012) zu arbeiten und diese in begrifflicher Abgrenzung und gleichzeitig ergänzend zu einem empirischen-kausalen Wirkungsnachweis einzusetzen. Eine solche Plausibilisierung kann z. B. in Auswertungsworkshops mit Fachkräften geschehen, in denen gemeinsam diskutiert wird, welchen Anteil die Maßnahme an den gefundenen Veränderungen oder Stabilisierungen hat und welche weiteren Kontextfaktoren einen Einfluss haben.

Um sprachlich klar und eindeutig mit dem Begriff Wirkung umzugehen, erscheint es daher sinnvoll den Begriff differenziert einzusetzen und nur dann von einer nachgewiesenen Wirkung zu sprechen, wenn deren Nachweis auch forschungsmethodisch eingelöst werden konnte. Ein Vorschlag für einen solchen differenzierten Umgang mit dem Begriff kann nachfolgender Grafik entnommen werden:

Darstellung der Unterscheidung der Begriffe Effekt, plausibilisierter Wirkung und nachgewiesener Wirkung. Die Unterscheidung wird nachfolgend im Fließtext erläutert.

Es wird hierbei unterschieden zwischen den Begriffen Effekt, plausibilisierte Wirkung und nachgewiesene Wirkung. Welcher Begriff verwendet wird, ist davon abhängig, was empirisch wie zuverlässig nachgewiesen werden kann.

Konnten nur Veränderungen oder Stabilisierungen bei der Zielgruppe der Maßnahme/des Angebots erfasst werden, sollte man konsequenterweise auch ‚nur‘ von Effekten sprechen (vgl. Ottmann & König, 2019). Wurde darauf aufbauend eine Wirkungsplausibilisierung durchgeführt, so erscheint es sinnvoll, von einer plausibilisierten Wirkung zu sprechen, die man erfasst hat. Von einer nachgewiesenen Wirkung bzw. allgemein von Wirkung sollte man nur dann sprechen, wenn man einen kausalen Mechanismus nachgewiesen hat, also einen Nachweis hat, dass die Veränderungen oder Stabilisierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Maßnahme oder das Angebot entstanden sind. Für diesen Nachweis ist jedoch eine Kontroll- oder Vergleichsgruppe unabdingbar.

Die dargestellten begrifflichen Unterscheidungen sollen dazu dienen, realistisch und gleichzeitig nachvollziehbar mit dem Begriff der Wirkung umzugehen und nur dann von einer Wirkung zu sprechen, wenn diese auch forschungsmethodisch valide erfasst wurde. Durch die Unterscheidung der drei Begriffe wird es zudem möglich zu erfassen, wie belastbar die gefundenen Ergebnisse sind und welche Methoden beim Nachweis zum Einsatz kamen. Durch das oft sehr schwierige bilden einer Kontroll- oder Vergleichsgruppe sind in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit überwiegend Studien durchführbar, die sich auf der Ebene der plausibilisierten Wirkung bewegen. Mit der Entwicklung von Wirkmodellen und dem Aufbau eines wirkungsorientierten Monitorings (vgl. Ottmann & König, 2019) sowie der abschließenden Durchführung einer Wirkungsplausibilisierung ist dies gut möglich.

Literaturverzeichnis

  • Balzer, L. (2012). Der Wirkungsbegriff in der Evaluation – eine besondere Herausforderung. In G. Niedermair (Hrsg.), Evaluation als Herausforderung der Berufsbildung und Personalentwicklung (1. Auflage, S. 125–141). Linz: Trauner.
  • Balzer, L. & Beywl, W. (2015). evaluiert: Planungsbuch für Evaluationen im Bildungsbereich (1. Auflage.). Bern: hep verlag ag.
  • Bibliographisches Institut. (o. J.). Wirkung, die. Zugriff am 13.4.2021. Verfügbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Wirkung
  • EvalWiki. (2020). Wirksamkeit (eines Programms) (16. September 2020). Zugriff am 14.4.2021. Verfügbar unter: https://eval-wiki.org/glossar/Wirksamkeit_(eines_Programms)
  • Ottmann, S. & König, J. (2019). Wirkungsanalyse in der Sozialen Arbeit. Differenzierung ist nötig. Soziale Arbeit, 68(10), 368–376.
  • Pawson, R. & Tilley, N. (1997). Realistic evaluation. London ; Thousand Oaks, Calif: Sage.

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1 Kommentar

  1. florian

    Sehr gute Zusammenfassung, danke!

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