Auch innerhalb der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft werden Daten erhoben. Diese können genutzt werden, um in Entscheidungen einzufließen, aber auch als Grundlage für KI-Lösungen. Um das Potenzial der Daten zu nutzen, ist aber eine vorhandene Datenkompetenz in Organisationen und bei deren Mitarbeitenden Voraussetzung. In diesem Beitrag wird beschrieben, was sich dahinter verbirgt und wie man die Datenkompetenz in Organisationen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft erhöhen kann.

Der Beitrag ist der zweite Teil einer dreiteiligen Reihe rund um Daten in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft:

Vor der KI braucht es ein systematisches Datenmanagement!

Datenkompetenz in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft

Daten-Framework für die Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft

Datenkompetenz – eine Definition

Um sich dem Thema Datenkompetenz anzunähern, soll in einem ersten Schritt definiert werden, was man unter Datenkompetenz versteht. Datenkompetenz ist die deutsche Übersetzung des Begriffs data literacy.

„Datenkompetenz ist die Fähigkeit, mit Daten sinnvoll, kompetent und effektiv umzugehen.“

Butscher, 2023, S. 32

Innerhalb der Diskussion über Datenkompetenz wird zukünftig dieser eine ähnliche Rolle wie Lesen und Schreiben eingeräumt. Sie kann daher zu den Schlüsselkompetenzen gezählt werden (vgl. Butscher, 2023, S. 32)

Und was beinhaltet Datenkompetenz nun genau?

Nachdem der Begriff Datenkompetenz definiert wurde, stellt sich die Frage was genau darunter zu fassen ist. Eine Antwort gibt hier das Framework für Data Literacy, das von Schüller et al. (2019) entwickelt wurde, sowie der DaLi Kompetenzrahmen der TH Köln (der Link führt zu einer PDF-Datei). Das Data Literacy Framework von Schüller et al. definiert folgende Kompetenzfelder (vgl. Schüller et al., 2019, S. 90 ff.):

  • Datenkultur etablieren
  • Daten bereitstellen
  • Daten auswerten
  • Datenprodukte interpretieren
  • Daten interpretieren
  • Handeln ableiten

Der DaLi Kompetenzrahmen definiert ähnliche Kompetenzfelder (den Kompetenzrahmen der TH Köln kann man im Rahmen eines kostenfreien Kurses im KI-Campus näher kennen lernen):

  • Datenkultur etablieren
  • Daten bereitstellen
  • Daten managen
  • Daten auswerten
  • Daten interpretieren
  • Daten einordnen
  • Daten publizieren

Beide Veröffentlichungen zeigen, dass Datenkompetenz mehr umfasst wie die reine Datenanalyse. Vielmehr geht es darum, wie in der Definition schon beschrieben, kompetent mit Daten umzugehen und neben der Analyse, idealerweise auch Kompetenz in der Bereitstellung und Interpretation von Daten zu haben und entsprechendes Handeln abzuleiten. Natürlich sollte dies immer unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Regelungen geschehen. Weiterhin sollten diese Tätigkeiten innerhalb einer Organisation immer in einer Datenkultur eingebettet sein. Dies bedeutet, dass der Umgang mit Daten innerhalb der Organisation selbstverständlich ist und Daten auch bei Entscheidungen herangezogen werden.

Muss dann jeder Mitarbeitende zukünftig Daten selber analysieren können?

Es gibt gute kostenfreie Programme zur Datenanalyse, wie z. B. JASP, welches eine intuitive grafische Oberfläche bietet. Auch mit R und Python stehen kostenlose Programmiersprachen für statistische Datenauswertungen und maschinelles Lernen zur Verfügung. Auch wenn es diese kostenfreien Möglichkeiten gibt, muss aus meiner Sicht nicht jeder in einer Organisation eigenständig Daten auswerten können.

Vielmehr erscheint es aus meiner Sicht sinnvoll, dass eine Grundkompetenz im Hinblick auf Daten zur Verfügung steht. Darunter fasse ich das Einordnen und kritische Hinterfragen von Daten und Datenquellen sowie die (kritische) Interpretation der Datenanalysen und Datenprodukte. D. h. man sollte einordnen können, woher die Daten kommen (aus welcher Quelle) und welche Aussagen damit möglich sind (z. B. war es eine repräsentative Erhebung oder nicht). Es ist auch wichtig, dass man gängige statistische Kennwerte (z. B. arithmetisches Mittel, Median, Standardabweichung) interpretieren kann und in der Lage ist einzuschätzen, welche Aussagen mit welchen Analysemethoden möglich sind. Ein Beispiel wäre hier der berühmte Satz „eine Korrelation bedeutet keine Kausalität“.

Aufbauend auf diese Grundkenntnisse, sollte es dann auch in Organisationen in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft Experten geben, die vertiefende Kenntnisse und Kompetenz im Bereich der Datenanalyse und / oder im Bereich der Datenerfassung und im Datenmanagement haben. Diese können dann entsprechende Daten und Datenprodukte innerhalb der Organisation zur Verfügung stellen.

Wieso brauchen wir Datenkompetenz in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft?

Durch die erhobenen Daten liegt in vielen Organisationen ein Schatz an Informationen und Wissen vor. Ein systematisches Datenmanagement und die Datenanalyse machen daher in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft aus meiner Sicht vor allem aus fachlicher Sicht Sinn. Durch die Analyse von Daten können wir Anhaltspunkte herausarbeiten, um festzustellen, wie gut bestimmte Angebote funktionieren und wo möglicherweise noch Optimierungspotenzial besteht. Wenn wir diese Daten mit einem wirkungsorientierten Monitoring kombinieren, können wir langfristig einen Wissenskorpus aufbauen, der uns dabei unterstützt, potenzielle Nutzer*innen gezielt zu den für sie am besten geeigneten Angeboten zu lenken.

Neben diesen Aspekt kann eine systematische Datenanalyse aber auch Ergebnisse für die politische Debatte liefern. So kann die Auswertung von Beratungsdaten beispielsweise aufzeigen, ob bestimmte soziale Probleme oder Fragestellungen häufiger in der Beratung nachgefragt werden.

Und nicht zuletzt können systematisch zur Verfügung gestellte und ausgewertete Daten auch in die interne Entscheidungsfindung innerhalb einer Organisation miteinbezogen werden. Beispielsweise zur Frage, wie die Nutzer*innen in ein Angebot kommen und ob es sinnvoll ist, bestimmte Kooperationen weiter auszubauen.

Nicht zuletzt können Daten aus der eigenen Organisation die Grundlage für (eigene) KI-Lösungen sein. Diese Beispiele zeigen aus meiner Sicht gut auf, welches Potenzial in einem systematischen Datenmanagement und der Datenanalyse stecken. Hierbei ist aus meiner Sicht noch wichtig zu betonen, dass die Daten Informationen für eine Entscheidung liefern, die Entscheidung selbst aber immer die Fachkräfte und Mitarbeitenden in den Organisationen treffen (vgl. Ottmann & Helten, 2023).

Auf dem Weg zu mehr Datenkompetenz

Natürlich stellt sich nun die Frage, wie wir innerhalb der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft die Datenkompetenz erhöhen können. Meiner Ansicht nach sollten wir zwei Strategien verfolgen: Erstens sollte Datenkompetenz bereits in der Ausbildung von zukünftigen Fachkräften eine Rolle spielen. Zweitens sollte der Erwerb von Datenkompetenz auch in Personalentwicklung und Schulungsangeboten berücksichtigt werden.

Gerade bei der Ausbildung erscheint es mir sinnvoll, hier nicht eine Vorlesung in Statistik als ausreichend anzusehen. Wie beschrieben ist Datenkompetenz mehr. Daher müssen wir auch in anderen Fächern die Vermittlung von Datenkompetenz integrieren. Warum nicht in einer Vorlesung zu Theorien der Sozialen Arbeit verschiedene Studien vergleichen, interpretieren um daraus Handlungen für ein professionelles Handeln von Sozialpädagog*innen abzuleiten?

Bei der Schulung von Mitarbeitenden in Einrichtungen ist es aus meiner Sicht zentral, dass die Angebote passgenau sind. Wie schon angemerkt, muss zukünftig nicht jeder Mitarbeitende Daten selbständig auswerten können. Vielmehr erscheint es sinnvoll, Angebote anzubieten, die eine Datenkultur etablieren und den Mehrwert von Daten aufzeigen und dann passgenaue Angebote für Mitarbeitende bereitzustellen. Mitarbeitende, die für die Dokumentation zuständig sind, sollten eher im Bereich der Datenerhebung und dem Bereitstellen von Daten geschult werden, während Fachkräfte, die Ergebnisse und Daten in Dashboards abrufen, verstärkt in der Interpretation von Daten und Datenprodukten geschult werden sollten.

Regelmäßige Begleitung und Praxisprojekte

Neben Fortbildungen zum Kompetenzaufbau sollten aber auch eine regelmäßige Begleitung und der Austausch in Organisationen verankert werden. Angefangen von einer Reflexion, wie Daten genutzt werden, bis hin zu Einzel- oder Team-Coaching. Gerade in einem Coaching-Format können konkrete Problem- oder Fragestellungen aufgegriffen werden. So kann geklärt werden, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist oder andere Optionen offen stehen. Hier macht es sicherlich auch Sinn, sich einen Blick von außen zu holen. Ein solches Austauschformat könnte man auch zwischen mehreren Organisationen organisieren.

Gerade beim Kompetenzaufbau innerhalb von Organisationen hat sich am Institut für Praxisforschung und Evaluation an der Evangelischen Hochschule Nürnberg gezeigt, dass dieser auch gut im Rahmen von Evaluationen und Wirkungsanalysen sowie Praxisprojekte geleistet werden kann. Werden in solchen Projekten Daten und Ergebnisse zur Verfügung gestellt, empfiehlt es sich im Prozess auch die Mitarbeitenden im Umgang mit diesen zu schulen.

Fazit

Mit diesem Beitrag sollte dargestellt werden, dass auch innerhalb der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft zukünftig die Datenkompetenz der Mitarbeitenden eine wichtige Rolle spielen wird. Organisationen die systematisch mit ihren Daten umgehen, können diese in Entscheidungen berücksichtigen und haben, aus meiner Sicht, so einen Vorteil gegenüber Organisationen, die dies nicht tun.

Organisationen sollten eine Kultur der Datennutzung etablieren, die das Arbeiten mit Daten zum Standard macht. Basierend darauf sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die benötigten Fähigkeiten im Umgang mit Daten vermittelt bekommen. Zukünftig sollte daher auch verstärkt in der Ausbildung von Fachkräften die Vermittlung von Datenkompetenz erfolgen.

Denn Datenkompetenz wird nicht nur für die Arbeit innerhalb der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft wichtiger, sondern ist auch eine wichtige und zentrale Kompetenz in einer (digitalen) Gesellschaft. Denn auch hier gilt es Daten, Studien und Ergebnisse kritisch und richtig einzuordnen und nachvollziehen zu können, ob Aussagen mit den zugrundliegenden Daten richtig sind oder nicht. Gerade in Zeiten von Fake News wird dies immer wichtiger.

Literatur