Im ersten Blog-Beitrag zum Thema Wirkmodelle wurde dargestellt, wie ein Wirkmodell in der Sozialen Arbeit erarbeitet wird. Vielleicht ist da dem/der einen oder anderen Leser*in die Frage gekommen, ob es wirklich immer nötig ist, ein komplett neues Wirkmodell zu erarbeiten. Ist es nicht viel eher so, dass die Wirkmodelle in einem Angebot ähnlich aussehen sollten, auch wenn verschiedene Einrichtungen diese erarbeitet haben? In diesem Beitrag möchte ich daher die Idee der ‘Ankerwirkmodelle’ vorstellen und eine Übersicht über bestehende Ankerwirkmodelle veröffentlicht (die regelmäßig aktualisiert wird).

Was ist ein Ankerwirkmodell?

Unter dem Begriff der Ankerwirkmodelle werden Wirkmodelle verstanden, die eine höhere Allgemeingültigkeit für bestimmte, klar definierte Angebote oder Arbeitsbereiche beanspruchen können (vgl. Ottmann & König, 2022 i. V.). Dies bedeutet, dass das Ankerwirkmodell erst mal unabhängig von einer konkreten Organisation die Wirkungen und Wirkannahmen des Angebotes oder Arbeitsbereiches beschreiben soll. Dadurch ist ein Ankerwirkmodell eine Grundlage für die Entwicklung von individuellen organisationsbezogenen Wirkmodellen. Es kann bei der Entwicklung herangezogen werden und geprüft werden, ob aufgrund von Besonderheiten in der Angebotsgestaltung oder Organisation noch Ergänzungen vorgenommen oder einzelne Aspekte herausgenommen werden müssen. Ziel eines Ankerwirkmodelles ist es damit zum einen die theoretischen Wirkungen eines Angebotes allgemeingültiger zu beschreiben, zum anderen aber auch den Aufwand für die Erstellung von spezifischen Wirkmodellen in Organisationen, die diese Angebote anbieten, zu reduzieren.

Im Rahmen eines Projektes im Bereich der Eingliederungshilfe (vgl. Ottmann, König & Gander 2021) wurde der Versuch unternommen, solche Ankerwirkmodelle für den Berufsbildungsbereich sowie für die teilstationäre Tagesbetreuung für erwachsene Menschen mit Behinderung nach dem Erwerbsleben (T-ENE) zu entwickeln. Es hat sich dabei gezeigt: Es funktioniert! Die beteiligten Fachkräfte aus verschiedenen Einrichtungen konnten sich auf ein gemeinsames Ankerwirkmodell verständigen.

Auch gibt es in der Evaluationsliteratur ähnliche Vorschläge wie bei Funnell und Rogers (2011, S. 351 ff.) mit dem Konzept der sogenannten Archetypen für bestimmte Interventionen und bei Wachsmut, Brinkmann und Hense (2019, S. 298 ff.) als Wirkungsmodelltypen für die Non-Profit-Programmarbeit.

Vorteile von Ankerwirkmodellen

Doch warum lohnt es sich, Ankerwirkmodelle für die Soziale Arbeit zu entwickeln? Ein großer Vorteil wird darin gesehen, dass Einrichtungen bei der Frage nach den Wirkungen der eigenen Angeboten nicht bei Null beginnen müssen. Mithilfe des Ankerwirkmodells kann ein einrichtungsspezifisches Wirkmodell für die Angebote entwickelt werden. Hierbei wird geprüft, ob das Ankerwirkmodell übernommen werden kann, ob Streichungen nötig sind oder man noch etwas ergänzen muss. Daher kann ein leichterer Einstieg bei der Frage nach den Wirkungen der eigenen Arbeit erfolgen.

Ein weiterer Vorteil wäre, dass aufbauend auf die Ankerwirkmodelle in einem zweiten Schritt auch ein Erhebungsinstrument entwickelt werden kann, das dann zum Einsatz kommt, um Effekte (also Veränderungen oder Stabilisierungen, die als Outcome im Wirkmodell festgehalten wurden) zu erfassen. Nach einer solchen Entwicklung hätten dann Einrichtungen, die dieses Angebot anbieten, einen leichteren Zugang zu bereits existierenden Erhebungsinstrumente, die im Rahmen einer Wirkungsanalyse bzw. Wirkungsevaluation eingesetzt werden können.

Wie kommt man zu einem Ankerwirkmodell?

Bei der Entwicklung von Ankerwirkmodellen sollten bestimmte Kriterien berücksichtigt werden:

  • Bei der Entwicklung gibt es zwei Wege: Zum einen kann ein Ankerwirkmodell in Workshops mit Vertreter*innen aus verschiedenen Einrichtungen entwickelt werden. Hierbei kann sich an dem hier beschriebenen Vorgehen orientiert werden. Es erscheint die Beteiligung von mind. drei Einrichtungen sinnvoll.
    Die andere Möglichkeit ist, dass schon Einrichtungen Wirkmodelle entwickelt haben und man diese in einem gemeinsamen Workshop zu einem Ankerwirkmodell zusammenführt.
  • In einem nächsten Schritt sollte das Ankerwirkmodell validiert werden. Hierbei erscheint ein breites Feedback aus dem Arbeits- bzw. Angebotsbereich notwendig. Eine Möglichkeit könnte hier die Präsentation und Diskussion des Ankerwirkmodells auf Fachkonferenzen sein, aber auch die Durchführung einer Online-Befragung unter Einrichtungen, die dieses Angebot anbieten.
  • Damit alle Einrichtungen von den entwickelten Ankerwirkmodellen profitieren, sollten diese unter einer freien Lizenz (Open Access) veröffentlicht werden. Auch sollte bei der Veröffentlichung ein Dateiformat gewählt werden, das eine Bearbeitung zulässt, damit auch aktiv mit dem Ankerwirkmodell gearbeitet werden kann.

Auch bei Ankerwirkmodellen gilt natürlich, dass diese immer wieder weiterbearbeitet und ergänzt werden können. So können Verbesserungen eingearbeitet werden und diese in verschiedenen Versionen veröffentlicht werden.

Fazit

Ankerwirkmodelle sollen dazu beitragen, dass Organisationen und Einrichtungen in der Sozialen Arbeit leichter die ersten Schritte bei der Frage nach den Wirkungen und der Wirksamkeit des eigenen Angebotes gehen können. Insofern lohnt es sich zukünftig verstärkt Ankerwirkmodelle für die Angebote und Arbeitsbereiche der Sozialen Arbeit zu entwickeln. Hierfür muss aber auch ein Forschungs- und Entwicklungsaufwand geleistet werden, der finanziert werden muss. Diese Finanzierung scheint aber gut angelegt, um den Einstieg in eine wirkungsorientierte Arbeitsweise in der Sozialen Arbeit weiter zu fördern und zu vereinfachen.

Was halten Sie von der Idee der Ankerwirkmodelle? Gerne können Sie Ihre Gedanken hierzu in den Kommentaren zum Beitrag teilen. Wenn Sie eine externe Begleitung für die Erstellung eines Ankerwirkmodells benötigen, können Sie gerne mit mir Kontakt aufnehmen. Im Rahmen meiner Tätigkeit am Institut für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg begleite ich gerne den Entwicklungsprozess und konzeptioniere passgenaue Workshopangebote zur Erstellung von Ankerwirkmodellen.

Übersicht über bestehende Wirkmodelle

Stand: 12. Dezember 2023

Nachfolgend werden Ankerwirkmodelle aufgeführt, die bereits entwickelt und veröffentlicht wurden. Die Liste wird fortlaufend ergänzt.

Eingliederungshilfe

Suchthilfe

Literatur

  • Funnell, S. & Rogers, P. J. (2011). Purposeful program theory: Effective use of theories of change and logic models. San Francisco, CA: Jossey-Bass.
  • Ottmann, S. & König, J. (2022 in Vorbereitung). Wirkungsorientierung in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung für Studium und Praxis. 1. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.
  • Ottmann, S., König, J. & Gander, C. (2021). Wirkungsmodelle in der Eingliederungshilfe. Zeitschrift für Evaluation, 20(2), 317–331. https://doi.org/10.31244/zfe.2021.02.04
  • Wachsmuth, E., Brinkmann, H. & Hense, J. U. (2019). Wirkungsorientierung in der Non-Profit-Programmarbeit – Wirkungsmodelle und Wirkungsmodelltypen als Instrumente der Steuerung und Evaluation. Zeitschrift für Evaluation, 18(2), 291–306. https://doi.org/10.31244/zfe.2019.02.07
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